Politisches Weisungsrecht gegenüber Staatsanwaltschaften

Richterbund Hessen zum Urteil des EuGH vom 27. Mai 2019

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 27. Mai 2019 entschieden, dass
deutsche Staatsanwaltschaften aufgrund des externen Weisungsrechts der Justizminister
gegenüber den Staatsanwaltschaften keine „ausstellende Justizbehörde“ im Sinne des
Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl sein können (EuGH, Urteil vom
27.05.2019, C3508/18, Celex3Nr. 62018CJ0508).

Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Deutsche Staatsanwaltschaften
können nach aktueller Rechtslage nicht mehr wirksam Europäische Haftbefehle, die in der
Praxis zum Kernbereich der europäischen Rechtshilfe zu rechnen sind, ausstellen.
Deutschland droht damit in einem wesentlichen Element der grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit ausgeschlossen, jedenfalls aber erheblich beeinträchtigt zu werden.

Ob und in welchem Umfang die EuGH-Entscheidung Auswirkungen auch auf andere auf
gegenseitiger Anerkennung beruhender Rechtshilfeeinstrumente (z.B. auf die Einholung von
Auskünften oder Ersuchen um Vernehmungen im Ausland) hat, ist derzeit noch nicht
abzusehen. In jedem Fall ist es bedenklich, wenn Deutschland, wie auch im Bereich der
richterlichen Selbstverwaltung, hinter europäischen Justizstandards zurückbleibt. Dem
deutschen Rechtsstaat haftet der Makel an, dass seine Staatsanwaltschaften wegen des
Weisungsrechts der Justizminister nicht die Gewähr dafür bieten, unabhängig von der Politik
zu entscheiden. Zudem kann Deutschland andere EU-Mitgliedstaaten nicht glaubwürdig
dafür kritisieren, politischen Einfluss auf ihre Justiz zu nehmen, wenn die Rechtslage in
Deutschland dies ebenfalls zulässt.

Aus den genannten Gründen ist eine Reform der §§ 146, 147 GVG, die den Justizministern
des Bundes und der Länder ein externes Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften einräumen, aus Sicht des Deutschen Richterbundes und des Landesverbandes Hessen dringend geboten.

Der Deutsche Richterbund, Landesverband Hessen e.V. fordert die hessische
Landesregierung daher auf, zeitnah auf eine solche Reform im Bundesrat hinzuwirken.