Neugestaltung der Fixierungsvorschriften im Justizvollzugsrecht

Stellungnahme des Richterbundes Hessen zu dem Gesetzesentwurf der Fraktion der CDU, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Hessisches Gesetz zur Neugestaltung der Fixierungsvorschriften im Justizvollzugsrecht, Drucks. 20/627

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Tenor der Stellungnahme

Der Richterbund Hessen begrüßt, dass im Rahmen der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers Regelungen für Fixierungen während des Vollzugs von Jugend- und Freiheitsstrafen, der Untersuchungshaft, der Sicherungsverwahrung, der Therapieunterbringung sowie der ausländerrechtlichen Freiheitsentziehungen geschaffen werden sollen.

Der Richterbund Hessen sieht unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und der mit einer Fixierung verbundenen körperlichen und seelischen Belastung für die Betroffenen Ergänzungs- und Klarstellungsbedarf, insbesondere bei der Bestimmung der Eingriffsvoraussetzungen („Aufhebung der Bewegungsfreiheit“), den Voraussetzungen unter denen eine richterliche Anordnung entbehrlich ist und bei der Beteiligung des psychologischen Dienstes bzw. eines psychiatrisch erfahrenen Arztes.

Nach Auffassung des Richterbundes Hessen besteht weiterer Regelungsbedarf für das PsychKHG.

A. Allgemeines

Das Bundesverfassungsgericht hat am 24. Juli 2018 (Az.: 2 BvR 309/15 und 502/16) entschieden, dass Fixierungsmaßnahmen (jedenfalls 5- bzw. 7-Punkt-Fixierungen) von nicht nur kurzfristiger Dauer, die im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach den jeweiligen Landesgesetzen (PsychKG, UBG) erfolgen, dem Richtervorbehalt unterliegen. Aus dem Urteil ist ein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf erwachsen. Bereits unmittelbar nach Erlass der Entscheidung sind erste Entscheidungen der hessischen Gerichte zu Fixierungsmaßnahmen in Einrichtungen des Justizvollzugs ergangen, die den akuten Regelungsbedarf aufgezeigt haben.

Es ist daher uneingeschränkt zu begrüßen, dass im Rahmen der ausschließlichen Zuständigkeit des Landesgesetzgebers für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafvollzugs die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Fixierungsmaßnahmen definiert werden sollen.

Die Neuregelung deckt dabei nach unserer Auffassung alle Vollzugsbereiche ab. Eine ausdrückliche Erstreckung auf die Therapieunterbringung und den Vollzug ausländerrechtlicher Freiheitsentziehungen dürfte nach den verfassungsrechtlich unproblematischen dynamischen Verweisungsklauseln der § 7 HAGThUG und § 3 VaFG entbehrlich sein.

Der Bundesverband des Deutschen Richterbundes hat bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen vom 19. Juni 2019 (BGBl. I 840) darauf hingewiesen, dass es durchaus schwierig ist, die Vorgaben des BVerfG auf Regelungen im Justizvollzug umzusetzen. Ein identischer Prüfungsmaßstab für Fixierungen auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Unterbringung auf der einen und bei solchen im Vollzug von Haft auf der anderen Seite kann kaum zugrunde gelegt werden, ist doch die Grundlage der jeweiligen Freiheitsentziehung eine gänzlich andere. Voraussetzung einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung ist stets, dass der Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet, dass eine hiermit im Zusammenhang stehende Gefahrenlage besteht und dass durch die im Rahmen der Unterbringung erfolgende Behandlung die Erwartung der Beseitigung der Gefahr und damit der Beendigung des Freiheitsentzuges besteht. Der Vollzug von Haft beruht demgegenüber auf keiner dieser Prämissen.

B. Zu den Neuregelungen im Einzelnen

I. Tatbestandliche Voraussetzungen der Fixierung im Allgemeinen

Bei der Beschreibung der erforderlichen Gefahrenlage ist es vor dem Hintergrund der fehlenden psychiatrisch-therapeutischen Zweckbestimmung der Sicherungsmaßnahme zu begrüßen, dass der Landesgesetzgeber – anders als bei der entsprechenden Bundesregelung des § 171a Abs. 1 StVollzG und auch abweichend von § 21 Abs. 1 S. 1 PsychKHG – den Anwendungsbereich der Eingriffsnorm auf die Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr einer erheblichen Selbstverletzung oder Selbsttötung des Betroffenen in vergleichsweise grundrechtsschonender Weise einschränken will. Ebenfalls ist positiv zu werten, dass die Fixierung – anders als (noch) nach § 21 Abs. 1 S. 1 PsychKHG – nur zulässig sein soll, wenn sie zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist. Sinnvoll ist auch, dass die Gefahr als „gegenwärtig“ umschrieben wird und damit klargestellt ist, dass die Fixierung auf eine akute Krisenintervention begrenzt ist.

Insoweit ist aber zu fragen, ob durch die Einschränkung der Fixierungsvoraussetzungen ein vermeidbarer systematischer Bruch zwischen § 21 Abs. 1 S. 1 PsychKHG und den Fixierungsermächtigungen nach dem HSVVollzG und dem HAGThuG entsteht. Beide Vollzugsarten dienen ebenso wie die öffentlich-rechtliche Unterbringung zumindest gleichrangig neben dem Sicherungszweck auch therapeutischen Zwecken. Ein relevanter praktischer Unterschied dürfte sich daher nur aus den Ausstattungsunterschieden in psychiatrischen Krankenhäusern im Vergleich zu Vollzugseinrichtungen ergeben. Letztere verfügen ggf. über bessere Möglichkeiten der Unterbindung fremdaggressiven Verhaltens (besonders gesicherter Raum, andere Arten der Fesselung). Es ist verfassungsrechtlich nicht tragfähig, weitergehende Beschränkungen der persönlichen Freiheit in allgemeinpsychiatrischen Krankenhäusern als im Straf-, Sicherungs- und Maßregelvollzug auf mögliche Aussstattungsdefizite psychiatrischer Krankenhäuser zu stützen.

Der hessische Landesgesetzgeber sollte daher den grundrechtsschonenden Ansatz der hessischen Vollzugsgesetze auf die Regelung des § 21 Abs. 1 S. 1 PsychKHG übertragen, ggf. einhergehend mit einer verbesserten personellen und sachlichen Ausstattung der psychiatrischen Krankenhäuser.
Bei der vorgesehenen Definition der Fixierung als Aufhebung der Bewegungsfreiheit sollte der Landesgesetzgeber vor allem klarstellen, welche Arten der Fesselung als Fixierung anzusehen sind bzw. auf welche Weise die Bewegungsfreiheit aufgehoben sein muss, damit die Tatbestandsvoraussetzung erfüllt ist. Andernfalls könnte eine Auslegungsunsicherheit entstehen, die zu Lasten der Grundrechte der Betroffenen geht. Die räumliche Fortbewegungsfreiheit ist schon dann aufgehoben, wenn bei einer Fesselung an den Händen und beiden Füßen jeder Entfernungsversuch vereitelt ist. Andererseits sind selbst bei einer 9-Punkt-Fixierung Muskelbewegungen noch möglich. Es handelt sich hierbei auch nicht um ein theoretisches Problem, wie der aktuelle Beschluss des Landgerichts Kassel vom 25. Februar 2019 zur „Hamburger Fessel“ zeigt und in dem das Gericht das Vorliegen einer Fixierung bei dieser Fesselungsart verneint hat, obwohl damit jedes Verlassen des gesicherten Krankenbettes unmöglich war. Auslegungsunsicherheiten dürften noch dadurch verstärkt werden, dass die geplante Neufassung des § 50 Abs. 5 HStVollzG bzw. die entsprechenden Regelungen in den Parallelgesetzen suggerieren könnten, dass jede Fesselung, die nicht nur an den Händen oder an den Füßen erfolgt, eine Fixierung ist. Auslegungszweifel dürften auch daraus erwachsen, dass in der juristischen Kommentarliteratur zu § 88 StVollzG die Fesselung ebenfalls als Aufhebung der persönlichen Bewegungsfreiheit beschrieben wird, ohne dass graduell weniger einschneidende Fesselungsarten und ihre Beziehung zur persönlichen Bewegungsfreiheit erörtert werden.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass § 21 Abs. 1 S. 1 PsychKHG schon die Einschränkung der Bewegungsfreiheit als Fixierung einordnet. Bei der ebenfalls erforderlichen Anpassung des § 21 PsychKHG an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollte auf eine systematisch widerspruchsfreie Vereinheitlichung der Fixierungsvoraussetzungen nach PsychKHG und den Vollzugsgesetzen besonderes Augenmerk gelegt werden.

II. Tatbestandliche Voraussetzungen der Fixierung bei Ausführung, Vorführung oder Transport

Es ist zu hinterfragen, ob der Ausschluss jedweder Fixierung aufgrund einer Fremdgefährdungslage bei Ausführung, Vorführung oder Transport, vollzugspraktischen Anforderungen genügt. Ergibt sich die Fixierungsnotwendigkeit erst nach Verlassen der Anstalt, dürfte es an den in der Anstalt verfügbaren grundrechtsschonenderen Möglichkeiten, selbst- und fremdagressives Verhalten zu unterbinden, insbesondere an einem besonders gesicherten Raum, regelmäßig fehlen. Der Gesetzgeber sollte daher in § 50 Abs. 4 HStVollZG bzw. den Parallelgesetzen erwägen, die Fixierung unter den in § 50 Abs. 4 HStVollzG genannten Voraussetzungen zuzulassen, wenn die Notwendigkeit der Fixierung erst während Ausführung, Vorführung oder Transport eintritt. Auch auf das potenzielle Spannungsverhältnis zu dem über die Verweisung auf § 312 Nr. 2 und 4 FamFG anwendbaren § 322 FamFG sei hingewiesen.

III. Selbstgefährdung und freier Wille

Der Richterbund Hessen befürwortet nach dem Vorstehenden die grundrechtsschonende Ausrichtung der Eingriffsvoraussetzungen, möchte hierzu abschließend aber zu bedenken geben, dass – wie ausführlich in der Stellungnahme des Bundesverbandes des Deutschen Richterbundes im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen vom 19. Juni 2019 (BGBl. I 840) dargelegt – unter dem aus dem grundgesetzlichen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit herzuleitenden Primat der Willenshoheit es geboten sein könnte, die Fixierung bei Vorliegen einer Gefahr zur Selbstschädigung nur zuzulassen, wenn der Betroffene zu einer freien Willensbildung nicht in der Lage ist. Dabei erscheint die Annahme, dass ein entsprechender Mangel der Willensbildung durch festgestellte Selbstschädigungshandlungen indiziert wird, verfassungsrechtlich vertretbar zu sein. Bei festgestellter klar eigenverantwortlicher Entscheidung bedürfte jedoch der vorliegende Entwurf der verfassungskonformen einschränkenden Auslegung, sodass eine entsprechende Klarstellung durch den Gesetzgeber im vorliegenden Enwurf vorzugswürdig erscheint.

IV. Sitzwache

Bei der Regelung der Sitzwache bleibt der Entwurf nur scheinbar hinter § 171a Abs. 4 S. 2 StVollzG zurück, da sich das Erfordernis ständigen Sicht- und Sprechkontakts im HStVollZG aus dem Begriff der „Sitzwache“ selbst ableiten lässt.
Auf die vom Bundesverband des Deutschen Richterbundes geäußerten Bedenken, dass die Sitzwache durch geschulte Vollzugsbeamte statt mit einem besonderen Abschluss ausgewiesenes therapeutisches und pflegerisches Personal durchgeführt werden soll, weisen wir ausdrücklich hin. Ob die laut Entwurfsbegründung geringere ärztliche Prägung des Vollzugs im Vergleich zu psychiatrischen Einrichtungen als (ausstattungsbedingtes) Differenzierungskriterium ausreicht, um hinter den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes zurückzubleiben, erscheint zweifelhaft.

V. Anordnungsbefugnis der Fixierung bei Gefahr im Verzug

Hinsichtlich der Anordnungsbefugnis bei Gefahr im Verzug regt der Richterbund Hessen an, den Kreis der „anderen“ Bediensteten entsprechend § 171a Abs. 3 S. 1 StVollzG auf „zuständige andere Bedienstete“ zu begrenzen, um die Anstalten anzuhalten, den Kreis der Anordnungsbefugten auf einen engeren Kreis von geschulten Bediensteten zu beschränken.

VI. Gerichtliche Entscheidung über Anordnung oder Fortdauer der Fixierung

Der Richterbund Hessen weist darauf hin, dass im Entwurf eine dem § 171a Abs. 3 S. 5 StVollzG entsprechende Regelung über die Voraussetzungen, unter denen eine gerichtliche Entscheidung nicht erforderlich ist, fehlt. Der in § 171a Abs. 3 S. 5 StVollzG geregelte Verzicht auf eine richterliche Entscheidung entspricht unter den dort genannten Umständen aber den verfassungsgerichtlichen Vorgaben. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts heißt es „Eine richterliche Entscheidung ist nicht (mehr) erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird, oder die Maßnahme vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. In einem solchen Fall würde der Betroffene durch die Einhaltung des Verfahrens nach Art. 104 Abs. 2 GG nicht besser, sondern schlechter gestellt, weil eine sachlich nicht mehr gerechtfertigte Freiheitsentziehung durch die Notwendigkeit einer nachträglichen richterlichen Entscheidung verlängert würde. Auch die nachträgliche richterliche Entscheidung nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG hat die Fortdauer der Freiheitsentziehung zum Gegenstand und dient nicht allein der nachträglichen Überprüfung der nichtrichterlichen Anordnung einer Freiheitsentziehung, die sich erledigt hat.“
Fehlt eine § 171a Abs. 3 S. 5 StVollzG entsprechende Regelung dürfte dies zu großer Unsicherheit über das weitere Vorgehen sorgen, denn es bleibt unklar, ob der Antrag zurückzunehmen, faktisch erledigt, zurückzuweisen oder durch förmlichen Einstellungsbeschluss durch das Gericht zu bescheiden ist. Im für den Betroffenen ungünstigsten Fall kann sich dadurch die Dauer der Fixierung bis zum Eintreffen des Richters verlängern, obwohl die Voraussetzungen weggefallen sind. Eine Ergänzung des Gesetzentwurfes halten wir daher an dieser Stelle für unverzichtbar.
Eine § 171a Abs. 3 S. 6 StVollzG entsprechende Regelung ist – auch im Haushaltsinteresse – zur Vermeidung unnötiger, die diensthabenden Kolleginnen und Kollegen belastender Dienstgänge ebenfalls wünschenswert.

VII. Beteiligung des Arztes vor und nach der Fixierungsanordnung

Aus Sicht des Richterbundes Hessen ist es sehr zu begrüßen, dass auch vor Anordnung einer kurzfristigen Fixierung oder deren Beantragung regelmäßig eine ärztliche Stellungnahme zur Unerlässlichkeit der Fixierung einzuholen ist und dies nur bei Gefahr im Verzug nachgeholt werden kann. Auch die beabsichtigte mindestens tägliche ärztliche Kontroll- und Stellungnahmepflicht durch den ärztlichen Dienst im Falle nicht nur kurzfristiger Fixierungen ist uneingeschränkt zu befürworten.
Weitergehend schlagen wir vor, dass im Gesetzentwurf aufgenommen werde, dass die (ohnehin zu dokumentierende) ärztliche Stellungnahme Aussagen zur Fixierungsfähigkeit, zur Fähigkeit des Betroffenen zur freien Willensentschließung und zur Unerlässlichkeit und zu der voraussichtlich erforderlichen Dauer enthalten soll.

Weiter halten wir aufgrund der durch die Selbstbeschädigung indizierten akutpsychiatrischen Symptomatik zusätzlich die Hinzuziehung des psychologischen Dienstes vor und nach der Fixierungsanordnung für geboten, wenn nicht schon die ärztlichen Stellungnahmen von einem Facharzt für Psychiatrie abgegeben werden.
Dies ist umso wichtiger, als nach der Neuregelung des § 321 Abs. 2 FamFG, auf die der Entwurf über den § 312 Nr. 2 und 4 FamFG verweist, im Hauptsacheverfahren ein Sachverständigengutachten nicht mehr erforderlich sein soll und es im Eilverfahren nach der Neufassung des § 331 S. 1 Nr. 2 FamFG auf eine Qualifikation des Arztes für die Erteilung des gerichtlich anzufordernden ärztlichen Zeugnis nicht ankommt. Hiergegen sind seitens des Bundesverbandes des Deutschen Richterbundes fundierte Einwände erhoben worden. Im Extremfall bedeutet dies, dass die Entscheidung, ob einer psychischen Ausnahmesituation des Gefangenen bzw. Untergebrachten mit einer psychisch sehr belastenden Fixierungsmaßnahme begegnet werden kann, ohne dass dem zwingend eine Einschätzung eines auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arztes zugrunde liegt.
Da sich der Landesgesetzgeber zu einem grundrechtsschonenden Ansatz gerade in Anerkennung der psychischen Schwere der Belastungen bekennt und die Fixierung unter den Vorbehalt der Unerlässlichkeit und der gegenwärtigen Gefahr der Selbstschädigung stellt, sollte er sicherstellen, dass diese Voraussetzungen auch fachpsychiatrisch zutreffend festgestellt sind, um den hohen Grundrechtsstandard nicht zu unterhöhlen.

VIII. Dokumentations- und Hinweispflicht

Die über § 171a Abs. 5 StVollzG deutlich hinausgehenden Dokumentations- und Hinweispflichten sind ohne Einschränkung zu begrüßen; sie dürften der Akzeptanz und Überprüfbarkeit der Anordnung durch den Betroffenen und damit der Vermeidung unnötiger Überprüfungsverfahren dienen. Zudem dürfte die Dokumentation auch die Grundlage für die gerichtliche Entscheidung über Fortdauer oder Aufhebung der Maßnahme bzw. eine nachträgliche Überprüfung verbessern.

IX. Gerichtliche Zuständigkeit – Auswirkungen auf die Justiz

Der Richterbund Hessen hat zur Kenntnis genommen, dass der Bundesgesetzgeber mit § 121a StVollzG die Weichen dafür gestellt hat, Verfahren vorheriger richterlicher Genehmigungen bei Maßnahmen im Vollzug den Amtsgerichten zu übertragen.

Im Rahmen dieser Zuständigkeitsübertragung dürfte einer pensenmäßigen Unterbewertung noch abzuhelfen sein, denn die Pebb§y-Basiszahlen sind für Fixierungssachen, je nachdem, ob das Geschäft beim Amts- oder Landgericht geführt wird, unterschiedlich hoch. Werden die Fixierungssachen den Amtsgerichten zugewiesen, sind diese dem Pebb§y-Geschäft RA 360 mit einer Basiszahl von 104 Minuten zuzuordnen. Werden die Fixierungssachen dagegen den Landgerichten zugewiesen, sind diese dem Pebb§y-Geschäft RL 220 mit einer Basiszahl von 219 Minuten zuzuordnen. Ein sachlicher Grund für diese Unterscheidung ist nicht erkennbar.
Der Richterbund Hessen begrüßt, dass der Entwurf einen Bedarf von mindestens 18 zusätzlichen Richterstellen und 18 zusätzlichen nachgeordneten Stellen anerkennt. Der Richterbund Hessen hält aber auch eine Aussage über die Anzahl der zu schaffenden R2-Stellen für geboten und es auch für erforderlich, diese Zahl in das Verhältnis zu den neu zu schaffenden R1-Stellen zu setzen. Der Richterbund Hessen weist darauf hin, dass kurzfristig insgesamt eine Quote von mindestens Pebb§y 100% anzustreben ist, auch um unvorhergesehenen Mehrbedarf an Personal aufgrund geänderter verfassungsgerichtlicher Vorgaben kurzfristig ohne Einbußen bei der Leistungsfähigkeit der Justiz aufzufangen. Aus welchem Grund die Landesverwaltung weiterhin die nach dem eigenen Personalbedarfsbemessungssystem erforderliche Personaldichte nicht zur Verfügung stellt, ist dem Richterbund Hessen nicht nachvollziehbar.

C. Beschlusslage des Richterbundes Hessen

Der Gesamtvorstand des Richterbundes Hessen hat bereits am 5. September 2018 folgenden Beschluss gefasst:

1. Der durch die Entscheidung des BVerfG zur richterlichen Eilzuständigkeit von Fixierungen als ärztliche Maßnahme entstehende Mehrbedarf an richterlichem Personal muss in vollem Umfang durch neu zu schaffende Stellen ausgeglichen werden, ohne dass dies zulasten der bereits durch den Landesgesetzgeber bewilligten Mehrstellen geht.

2. Der richterliche Bereitschafts- bzw. Eildienst muss – wie bei anderen Berufsgruppen, die Bereitschafts- bzw. Eildienste leisten – in vollem zeitlichem Umfang in die Pebb§y-Berechnungen einfließen und übernommen werden ohne Rücksicht auf das zahlenmäßige Fallaufkommen. Das heißt eine Stunde Bereitschafts- bzw. Eildienst muss 60 Pebb§y-Minuten entsprechen.

3. Die Ausweitung der richterlichen Bereitschafts- und Eildienste geht zulasten der rechtsprechenden Tätigkeit in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, alle Möglichkeiten zu nutzen, richterliche Eilzuständigkeit in der dienstfreien Zeit auf das verfassungsmäßig zwingend gebotene Maß zu begrenzen.

4. Wir fordern die Landesjustizverwaltung auf, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Kolleginnen und Kollegen durch richterliche Eildienste nicht übermäßig belastet werden. Dies gilt insbesondere für kleine Amtsgerichte. Andernfalls sieht der Richterbund Hessen eine große Gefahr für die Vereinbarkeit von Familie und Richterberuf sowie die Attraktivität des Richterberufs im Hinblick auf die Nachwuchsgewinnung.

An dieser Beschlusslage hält der Richterbund Hessen auch im Rahmen dieser Stellungnahme fest.

Dr. Johannes Schmidt
Stellvertretender Landesvorsitzender